Tag 68: Auf Station

Heute habe ich den Ort besucht, an dem ich Veronika das letzte Mal gesehen habe. 68 Tage danach. Die Ehrenamtler der Palliativstation der Göttinger Universitätsklinik richteten zu ihrem 15jährigen Jubiläum ein Gartenfest aus. Sonja und ich waren dort. Einige der engagierten Menschen dort konnten sich auch an Veronika erinnern. Ich hatte die Gelegenheit, dort nochmal für die großartige und liebevolle Arbeit und das Engagement zu danken. 

Wie fühlte es sich an, diesen Ort wieder zu betreten? Es war ein nicht ganz leichter Schritt , den ich mir dennoch vorgenommen hatte. Im Wesentlichen hielt man sich im Patientengarten auf. Für eine Weile machte ich mich auf den Weg, ging ins Innere der Station und genau vor die Zimmertür, hinter der Veronika am 10. Juli 2023 gestorben war. Es war ein schwerer Gang dorthin, aber ich wollte nochmal an diesem Punkt stehen, den typischen Klinikflurgeruch einatmen, das Geräusch der Türöffner hören und auf diese Tür schauen, hinter der Veronika von ihrem unsagbaren Leiden erlöst wurde. 

Der Trauer und dem Schmerz einen Ort zu geben sei ganz wichtig, heißt es in der psychologischen Literatur. Nun, dieser Ort ist sicherlich DER Ort und ich war am Ende froh, nochmal für einen Augenblick dorthin zurückgekehrt zu sein. Es wird für mich immer der Ort sein, an dem mein altes und liebgewonnenes Leben für immer und unwiderruflich endete. 

"In jedem Ende liegt ein neuer Anfang", so stellt der spanische Philosoph und Dichter Miguel de Unamuno (1864 - 1936) fest. Ich finde dieses Zitat sehr treffend. Sonja und ich stehen mitten im Leben an einem Anfang - ob wir es wollen oder nicht. Und heute Nachmittag wurde mir dies nochmal bewusst. Der laue Spätsommernachmittag hatte - bei aller Schwermut, der in mir wieder hochkam - auch etwas Belebendes, fast schon Heiteres und nahm dem Ort so seinen Schrecken. So habe ich es zumindest empfunden. 


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