Tag 30: Sonjas Freuden-Tränen


Als frischgebackener alleinerziehender Vater muss ich mich irgendwie organisieren. Vor allem, wenn ich solche Dinge wie Einkaufen erledigen muss, wo unsere Vierbeinerin Isa nicht mitgehen darf. Auf der anderen Seite wollen Schnauzer eine gewisse Auslastung, sonst kommen sie zu Hause auf dumme Gedanken. Kurzum: Ich versuche oft, mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, so auch gestern Abend: Ich hatte nach dem Abendessen festgestellt, dass ein paar Dinge im Vorratsschrank fehlten, tags darauf würde es aber zeitlich etwas eng. So entschloss ich mich, die abendliche Hunderunde mit einer Stippvisite im Supermarkt zu kombinieren: Sonja wurde beauftragt, mit dem Hund vor dem Markt zu warten, während ich die Einkäufe erledigte.
 
Als ich nach getaner Arbeit zu Sonja und Isa in die Dämmerung vor den Laden trat, fing meine Tochter an zu erzählen: "Als ich mich zu Isa hinuntergekniet habe, um sie zu streicheln, habe ich über meine Mama geredet und mich gefragt, wie sie wohl aussieht und gehofft, dass sie da oben auf einer der Wolken, auf die ich gerade geschaut habe, sitzt. Dabei habe ich mir gedacht, dass sie sich dort oben glücklich und leicht fühlen muss. Plötzlich habe ich erkannt wie sie aussah: Diese eine Wolke sollte meine Mutter darstellen: Es war eine Frau, die auf einer Wolke stand und den rechten Arm etwas weiter nach oben und den linken Arm weiter unten hielt. Sie trug ein langes weißes Kleid, so wie es eben bei Engeln war. Bei meiner Mama waren die Haare dunkelblond, also wusste ich, dass diese Haare, die zu einem schönen Dutt geflochten waren, eben dunkelblond sein mussten. Ich wusste, dass sie Sommersprossen hatte und, dass sie sicher ein Lächeln im Gesicht hatte und mit ihren Sommersprossen noch schöner aussehen würde. Wenn ich mir vorstelle, wie schön sie aussah und wie glücklich sie wirkte, war auch ich so glücklich, dass ich vor Freude fast weinen musste. Außerdem sah man nichts von ihrer Krankheit. Ich wusste, dass diese Wolke meine Mama war. Und ich wusste, dass dieser Moment ein ganz besonderer war."

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