Tag 111: Wo bist du?


Veronika, wo bist du?

Neulich habe ich Sonja im Halbschlaf gefragt: Ist Mama noch unten?

Ich wurde sofort wach. Natürlich warst du nicht unten.

Ich wüsste so gerne, wo du bist. Wie ist der Ort, von dem alle reden, den sie Jenseits, Himmel, Paradies nennen?

Streiten sich die Menschenseelen dort auch wegen irgendwelcher Nichtigkeiten? Gibt es Neid, Missgunst, Krankheit, Ungerechtigkeit?

Oder bist du uns ganz nah? Bist du in dem Sonnenstrahl, der sich durch die herbstlichen Regenwolken kämpft?

Bist du die eine Blume, die noch im Garten blüht und dem Herbstwetter standhält?

Bist du vielleicht der eine Vogel, der in unserem Garten sitzt und aufmerksam zu uns hineinsieht?

Bist du in dem Windstoß, der mir neckisch den Hut vom Kopf weht?

Sonja wollte im Urlaub auf die hohen Berge, um dir nah zu sein. Vielleicht warst du in dem strahlenden Sonnenlicht, das uns auf dem Gletscher geblendet hat. 

Oder bist du tatsächlich in einem der Abermilliarden Sterne, die man am klaren Himmel erkennen kann?

Ich weiß nicht, wo du bist, und wie deine Reise dorthin war. Aber manchmal fühle ich, dass du ganz nah bist. Zum Beispiel dann, wenn ich plötzlich über einen unserer alten Witze lachen kann. Ganz unvermittelt, völlig ohne Zusammenhang. Dann weiß ich, du lachst mit mir über etwas, was nur wir lustig finden, wobei andere immer nur die Augen gerollt haben. Dann weiß ich, du bist direkt neben mir. Nur für diesen Moment. 

Danke, dass du immer wieder mal vorbeischaust!

 

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