Wer sind wir

Veronika und ich haben uns Ende 1996 kennen und Anfang 1997 lieben gelernt. Ich damals 20, sie 24. Viele gaben uns nicht lang und wunderten sich über den Altersunterschied. Es herrschte in vielen Köpfen die Vorstellung, der Mann müsse älter als die Frau sein. Damals studierten wir beide an der Universität München: Sie Germanistik und Slawistik, kurz vor dem Magisterexamen und ich war im ersten Semester Romanistik. Seitdem gehen wir durch dick und dünn und vor allem immer Seite an Seite: Fast mein ganzes Leben seit der Volljährigkeit habe ich mit Veronika verbracht. 

Familie Walter Kühn Weihnachten 2022
2001 haben wir geheiratet, 2002 bis 2005 waren wir in Polen, danach verschlug es uns in die Universitätsstadt Göttingen, es war als Übergangswohnsitz nach unserer Rückkehr aus dem Ausland gedacht. Nichts hält bekanntlich so lange wie ein Provisorium und so sind wir dort geblieben, obwohl wir beruflich lange nicht Fuß fassen konnten: 2013 kam unsere Tochter Sonja zur Welt, 2016 kam der berufliche Durchbruch und 2019 kauften wir unser Haus in Göttingen Geismar. Zu dem Zeitpunkt lag gerade Veronikas erste Krebserkrankung ein Jahr zurück. Wir hielten dieses einjährige Eintauchen in die Parallelwelt aus CT, Mammographien, Biopsien, Infusionen und ihren Nebenwirkungen sowie kritischen Blutwerten für eine vorübergehende, beinahe surreale Episode und glaubten unser Glück im Reihenhaus mit Garten perfekt. Anfang 2020 kam Corona. Mitte 2020 kam bei Veronika der Krebs zurück - mit Lymphknotenmetastasen. Der Tumor hatte einen Gang zugelegt. Von nun an sollte unser Leben nie mehr so sorglos wie zuvor sein. 

Dennoch haben wir immer versucht, Veronikas tödliche Krankheit - so gut es ging - zu verdrängen: Wir ließen es uns gutgehen, unternahmen Reisen, trafen Freunde, Veronika bearbeitete mit großer Hingabe unseren Reihenhausgarten, Sonja traf sich mit ihren Freundinnen und ich gab mir Mühe, mich auf der Geige und Bratsche zu verbessern, wann immer ich dafür Zeit fand. Der Krebs hatte - in unserem Alltag - oft von Donnerstag bis Dienstag Sendepause, da die Behandlungen meistens am Mittwoch stattfanden. Leider hat diese Sendepause den Tumor wenig interessiert.

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