Tag 17: Brief an meine Tochter


Liebe Sonja, 

hier bist du mit unserer Zwergschnauzerhündin Isa im Husumer Schlosspark. Ich habe dieses Foto von euch spontan geschossen, weil ich es so passend fand: Du gehst, begleitet von unserer treuen Hündin, durch ein Tor in einer hohen Mauer. Kurz vorher hast du mich gefragt: "Papa, was ist da hinten?" Ich konnte es nicht beantworten, weil ich an diesem Ort noch nie zuvor war und sagte zu dir: "Geh einfach mal durch."

Du kannst - so glaube ich - in jeder Mauer - und sei sie noch so hoch oder trutzig - einen Durchgang, ein offenes Tor finden. Hinter diesem Tor sind hohe Bäume, an die du dich anlehnen kannst, Wiesen, auf denen du mit Isa spielen kannst und Bänke, auf denen du dich ausruhen kannst. Soweit ich es sehen kann, ist es dahinter sehr schön.

Meine liebe Sonja, du stehst durch Mamas Tod vor einer sehr hohen Mauer, wahrscheinlich - so wünsche ich es dir - wirst du nie wieder in deinem Leben  - vor einer so hohen Mauer stehen wie in dieser Lebensphase. Aber auch in dieser Mauer gibt es irgendwo ein Tor, durch das du gehen kannst und dahinter ist etwas, was auch schön ist. Vielleicht anders schön als das, was du bisher erlebt hast. Trotzdem ist auch das, was kommt, wert zu entdeckt zu werden. Auf dem Foto geht Isa mit dir durch das Tor. Unsere Hündin ist dir eine treue, dich liebende Begleiterin. (Ich übrigens auch.)

Isa ist dank dir unser vierbeiniges Familienmitglied geworden: Du hast im letzten Jahr durch konsequentes Bearbeiten deiner Eltern bewirkt, dass wir Isa bei uns haben - damit hast du für unsere vierbeinige Seelentrösterin gesorgt, die jetzt auch mir den Alltag etwas erträglicher macht. Für mich ist es gut, weil ein Hund auch durch seine Bedürfnisse für eine gewisse Tagesstruktur sorgt: So kann es mir nicht passieren, dass ich mich komplett in meine Trauer zurückziehe, vor die Tür muss ich, so oder so. 

Dafür, dass Isa bei uns ist und mit uns alle Wege geht, möchte ich dir ganz lieb danken - und natürlich, dafür, dass du da bist.

Dein Papa 






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