Tag 12: Zurück auf Los

 

Benni ohne Haare
Ich habe kurze Haare, nur ein paar Millimeter sind übrig. Für mich etwas komplett Ungewohntes und etwas, was ich nie gewollt hätte. So wie mein Familienstand - oder auf Neudeutsch Beziehungsstatus: Auch diesen wollte ich nie und will ihn nach wie vor nicht. 

Aber es gibt noch zwei Gründe: Im Hínduismus ist es Tradition, dass sich Hinterbliebene eine Glatze scheren lassen. Meine "Unfrisur" hat mir unsere Freundin Lena direkt nach Veronikas Tod geschoren - vielen Dank an sie dafür und an ihren Mann Ingo fürs Aufsaugen. 

Der zweite Grund ist etwas persönlicher: Veronika hat unzählige Chemotherapien tapfer und ohne zu klagen über sich ergehen lassen. Der Haarausfall - Mediziner nennen ihn Alopezie - ist eine der sichtbarsten Nebenwirkungen dieser Behandlungen. Die Medikamente verhindern die Zellteilung aller sich schnell teilenden Zellen mit dem Ziel, die sich schnell vermehrenden Krebszellen an der Ausbreitung zu hindern. Die auch Zytostatika genannten Mittel wirken aber im ganzen Körper auf Zellen mit einer hohen Teilungsrate und eben auch auf die Haarzellen. Daher ist die Glatze oft das sichtbarste Zeichen von Krebspatienten. Viele leiden sehr unter dieser ungewollten Veränderung ihres Aussehens - die Krankenkassen zahlen sogar Perücken.

Als Veronika ihre erste Krebstherapie im Sommer 2018 hinter sich hatte, habe ich jede Woche ein Foto ihrer nachwachsenden Haare geschossen und das ganze zu einem Video zusammengeschnitten. Ein - wie ich finde - schönes Ritual, das ich mir von einigen Youtube-Accounts von Mitpatientinmen meiner Frau abgeschaut habe. Es wird quasi der Weg ins neue Leben nach dem Krebs sichtbar gemacht. 

Mir hat Veronika immer sehr Leid getan, auch sie fühlte sich mit den Chemoglatzen ziemlich unwohl, zumal ja nach ihrer Rezidivdiagnose 2020 viele Chemos folgten. Auch für mich ist diese fehlende Kopfbedeckung auch ein Symbol für den Weg in ein neues Leben, eines, das ich so nie wollte, aber nun annehmen muss - vor allem meiner Tochter zuliebe. 

Meine Friseurin sagte mir übrigens, ich müsse wohl ungefähr ein Jahr warten, bis ich meine Mähne wieder hätte - das ist sowas wie meine Art Trauer zu tragen und Zeichen meines Trauerjahres.


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