Tag 122: Ein Stein in der Brandung

 

Grabstein

Der Grabstein ist gesetzt. Damit hat die Erinnerung an Veronika einen Ort, an dem ihre wichtigsten Lebensdaten sichtbar sind. Für alle und für lange Zeit. Ich bin froh, in diesen Zeiten einen ruhigen Ort der Erinnerung zu haben, einen zugänglichen Ort, an den - wer auch immer sich gerne an sie erinnert - gehen kann. Ich habe das Gefühl, die Zeit von Veronikas Tod bis zu den Hersbtferien ist rasend schnell vergangen. Und heute - in der Rückschau - kommt mir der letzte Sommer so weit weg vor. 

Sonja legt in ihrer Entwicklung ein rasendes Tempo hin und ist auf dem Weg zum Teenager zu werden. Wer sie heute sieht und erlebt, wird feststellen, dass die Sonja von jetzt nur noch wenig mit der Sonja aus dem letzten Sommer gemein hat. Sie kommt mir gerade vor, als ginge sie mit Riesenschritten in ihr eigenes selbstbestimmtes Leben. Sie verbringt viel Zeit in ihrem Zimmer, beschäftigt sich mit Handarbeiten oder Zeichnen und möchte von mir im Wesentlichen nicht gestört werden. 

Ich kann mich dieser Dynamik nicht verschließen: Es gibt neue Alltagsgewohnheiten, neue Tagesabläufe, und neue Aktivitäten. Auch neue Menschen sind in Sonjas und mein Leben getreten, Menschen, die uns wichtig sind und die wir auch nicht mehr missen möchten. Ich bin dankbar, eine Tochter zu haben, die mich dazu bringt, mich ins Alltagsleben zu stürzen, denn genau das hätte Veronika von mir gewollt.

Umso schöner ist es, jetzt einen Ort zu haben, der immer so bleibt und uns - manchmal traurig, manchmal heiter - an die gemeinsame Zeit mit Veronika, Sonjas Mama und meiner Ehefrau denken lässt. Ein Stein, der fest im reißenden Strom des Lebens steht, zu dem wir immer dann kommen können, wenn uns nach ein wenig Ruhe, Innehalten und Erinnerung ist.



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