Tag 266: Ostern und ein Jahr später

Auf Facebook bekommt man "Erinnerungen" in Form früher geposteter Fotos angezeigt. Ich bekam heute vom Algorithmus dieses Bild in den Feed gespült. Heute ist Ostermontag, der erste "ohne" für Sonja und mich. Vor einem Jahr war es ein Samstag und damit ein ganz "normaler" 1. April. Die Aufnahme zeigt meine drei Damen mit ihren acht Beinen im InterCity auf der Fahrt von Göttingen nach Würzburg. Es war, ohne dass wir es zu jedem Zeitpunkt wussten, unsere letzte gemeinsame Reise: Wir fuhren zuerst zu Veronikas Tante nach Würzburg, dann zu ihrem Vater nach Brannenburg, am Schluss zu meiner Mutter nach München. Wir haben alle Verwandten besucht, was wir oft in den Osterferien getan hatten. Veronika war damals noch mobil, wenn auch schon sichtbar durch den Krebs geschwächt.
Zudem bekamen wir während dieser Reise einen Anruf aus dem Göttinger Uniklinikum, dass man weitere Tumorherde gefunden hatte. Die onkologisch-medizinische Situation verschärfte sich also zusehends. In der Rückschau wirkt dieser Trip dann auch wie eine Abschiedstournee. Einen Monat später zeigte sich Veronika bereits so geschwächt, dass längere Bahnfahrten und damit verbundenes Kofferein- und -auspacken bereits nicht mehr möglich gewesen wären.   

Gestern war Sonjas und mein erster gemeinsamer Ostersonntag "ohne". Die Nacht zuvor war auch eine Premiere gewesen: Wir haben das erste Mal ein Osterfeuer besucht, eine Tradition, die wir als zugezogene so nicht kannten. Am Nachmittag haben Sonja und ich uns als Osterlammbäcker versucht. Ich würde mich nun wirklich nicht als erfahrenen Koch bzw. Konditor bezeichnen, aber mit einem soliden Rezept kommt man doch zu einem ansehnlichen und zudem wohlschmeckenden Resultat. Heute merke ich wieder einmal, wie sich doch die Rückschau und der Blick nach vorne gleichzeitig in meinem Kopf abspielen. Und gleichzeitig gelingt uns wieder ein vorsichtiger Schritt in dieses neue und doch so unbekannte Leben, in dem sich vieles vertraut und gleichzeitig ungewohnt anfühlt. 


 

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